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Autor Sebastian Beasdale
Verlag JKLM Games
erschienen 2006
Spielerzahl 3-5
Spieldauer 90 Minuten
Wertung pic pic pic pic pic pic pic pic pic pic

On The Underground

rezensiert von Walter Sorger

Es geht um den U-Bahnbau in London. Das Spielbrett zeigt einen Verkehrsplan von London, im dem die Planstrecken für das gesamte Verkehrsnetz eingezeichnet sind. Pro Zug darf ein Spieler vier Steckenabschnitte einer U-Bahn-Linie bauen. Anschließend transportiert er den einen gemeinsamen Passagier zu einem ausgewählten Zielbahnhof. Für jeden Steckenabschnitt, den der Passagier dabei die Linie eines (irgendeines!) Spielers nutzt, kassiert dieser Siegpunkte. An der Beförderung des Passagiers profitiert also nicht nur der aktive Spieler, sondern alle Spieler, deren Linien benutzt werden. Optimaler Streckenbau, Prämien für gelungene Streckenführung und regelmäßige Einnahmen bei der Passagier-Beförderung sind das A und O einer erfolgreichen Spielweise.

Einige Details zum Streckenbau:

  1. Bei vier oder fünf Spielern betreibt jeder Spieler zwei U-Bahn-Linien. Bei drei Spielern betreibt jeder drei Linien.

  2. Der Einzugsbereich einer Linie ist nicht vorgegeben, ein Spieler kann seine Linie in jeden Teil des Verkehrsplanes ausdehnen.

  3. Neue Steckenabschnitte einer U-Bahn-Linie müssen an bereits bestehende Abschnitte der gleichen Linie anschließen. Mit dem ersten Steckenabschnitt legt ein U-Bahn-Bauer fest, in welchem Stadtteil er seinen Ausgangspunkt hat.

  4. Die gleichen Streckenabschnitte auf dem Verkehrsplan können zum Teil von mehreren Linien betrieben werden. Sind aber alle zulässigen Gleise belegt, ist die Strecke für weitere Linien blockiert.

    Damit wird ein konkurrierender Wettlauf um die verkehrsgünstigsten Linien ausgelöst.

  5. board Über den Bau von kostenpflichtigen Weichen kann sein Spieler seine Linienführung verzweigen lassen. Die Linie wächst dann eher in die Breite als in die Länge.

    Eine Linie kann somit ein bestimmtes Areal dominieren und den Passagier dort auf die eigene Linie zwingen, sie verliert aber Attraktivität bei großen Transportwegen von einer Ecke Londons zur anderen.

  6. 6) Werden von einer Linie bestimmte Paare von Zielpunkten verbunden, gibt es dafür Sonderprämien. Ebenfalls Sonderprämien gibt es beim Anschluß bestimmter Endbahnhöfe anschlossen.

Dadurch wird die Streckenplanung eines Spielers einem konstruktives Spannungsverhältnis ausgesetzt: sie wollen ihr Streckennetz einerseits auf den Innenstadtbereich konzentrieren und andererseits auch in Richtung Außenbezirke erweitern. Eine optimale Punkte-Ausbeute erfordert eine sorgfältige Planung.

Den Zielbahnhof für den Transport des Passagiers kann ein Spieler jeweils unter vier Alternativen auswählen. Die Fahrstrecke, die der Passagier zu seinem Ziel nutzt, ist allerdings nicht willkürlich bestimmbar, sondern durch die Spielregel genau definiert: Der Passagier muß diejenige Strecke wählen, auf der er die kleinstmögliche Stecke zu Fuß zurücklegt, bei den angebotene U-Bahn-Linien muß er die nutzen, wo er am wenigsten oft umsteigt. Das entspricht dem wohl häufigsten Fahrverhalten aller U-Bahn-Benutzer der Welt: Man bleibt so lange wie möglich in einer einzigen Linie sitzen, auch wenn damit Umwege gefahren werden.

Natürlich sucht sich der Spieler von den angebotenen Zielpunkten denjenigen aus, bei denen er mit seinen Linien am meisten profitiert. Er darf vorher auch schnell noch ein paar Verbindungswege bauen, um damit den Passagier auf die eigene Linie zu locken und Siegpunkte zu kassieren. Doch wer strategisch günstige Linien gebaut hat, kann zumindest in der Endphase nicht mehr umgangen werden und kassiert bei (fast) jedem Zug eines Mitspielers mit.

Zu einem guten Streckenbau gehört:

  1. Streckenbeginn im Zentrum mit monopolartigen Ausläufern in einen Außenbezirk.

  2. Konzentration auf den Ausbau einer einzigen Linie; die zweite Linie erst dann ins Spiel bringen, wenn die erste Linie ihre maximale Ausbaustufe erreicht hat.

  3. Nicht auf kurzfristige Transporteinnahmen schielen, sondern eine strategische Gesamtplanung im Hinterkopf haben. Eine gut positionierte und ausgebaute Linie zieht unweigerlich auch einen guten Anteil des Verkehrs auf sich.

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Beim Ermitteln des vorgeschriebenen besten Weges zum Zielpunkt stellen sich immer wieder unliebsame Überraschungen ein, wenn der Passagier nicht die Linien des aktiven Spielers benutzen darf, sondern die Linie eines Mitspielers, bei der die gefahrene Strecke zwar deutlich länger ist, dem Passagier aber ein Umsteigen erspart. Unbarmherzig drängt dieser Mitspieler dann natürlich auf die Benutzung der eigenen Linie. Für Ungeübte oder Schnellspieler gibt er hier jede Menge Irrtumsmöglichkeiten.

"On the Underground" ist sehr gut ausbalanciert. Sehr konstruktiv entfaltet sich die Konkurrenz um die guten Linien, um strategische Positionierung auf dem Brett, um kurzfristige Siegpunkte und langfristige Renditen. Es gibt keinen Würfel, beim Streckenbau ist jeder Spieler ganz allein seines Glückes Schmied. Nur in der angebotenen Auswahl an Zielpunkten steckt ein gewisser Zufallseinfluß; doch das Wesentliche bei "On the Underground" ist nicht das Kassieren von Fahrgeldern wenn man selbst der aktive Spieler ist, sondern ein strategisch geplanter Streckenbau, den die Mitspieler bei ihren Passagiertransporten nicht ignorieren können.

Welche Freiheitsgrade hat ein Spieler in seinem Zug? Er kann unter vier Zielen wählen, er darf vier Streckenabschnitte legen, jeder Streckenabschnitt kann an die vier Enden seiner beiden Linien an gesetzt werden. Dabei gibt es an jedem Ende ca. drei Gleisrichtungen für den Weiterbau. Zwischen je zwei Streckenabschnitten kann eine Weiche gebaut werden, auch dies summiert sich leicht zu 5 bis 10 vernünftigen (!) Zugmöglichkeiten. Auf diese Weise hat Summa Summarum jeder Spieler für einen Zug mehr als einhundert Kombinationsmöglichkeiten. Könnt ihr euch vorstellen, wie lange ein Zug dauern kann, wenn ein Pfennigfuchser haargenau alle seine Alternativen durchrechnen will? Wenn er fünf Sekunden Denkzeit für jede Teilkombination benötigt, und jede Kombination mehrfach durchrechnen muß, weil er bei der neunundfünfzigsten Kombination die Auswirkungen der fünfundzwanzigsten Kombination natürlich längst wieder vergessen hat, dann kann er leicht Stunden für einen einzigen Zug brauchen? Das ist leider ein wenig zu viel!

Für solche Pfennigfuchser ist "On the Underground" nicht geeignet. (Es sei denn, zwei Intelligenzler spielen es zu zweit!) "On the Underground" ist ein wunderschönes Spiel mit vielen ästhetisch schönen Spielzügen und einer gewaltigen spielerische Vielfalt, aber nur für Spieler, die sich gerne einen überlegenen strategischen Plan zurechtlegen (auch dann, wenn sie nicht am Zug sind!), die sich in der taktischen Umsetzung schnell und flexibel auf neue Situationen einstellen können, die aber ihre Spielzug-Visionen vorwiegend mit Gefühl umsetzen. Mit Augenmaß erfassen sie die groben Strukturen, in denen sich das Spiel entwickeln wird, und setzen ihre Duftmarken jeweils ins Zentrum des künftigen Geschehens, ohne es allzu ernst zu nehmen, wenn sie das Zentrum um ein paar Millimeter verpassen. Wenn es dann erstens anders kommt zweitens als sie gedacht haben, dann war das ganze immer noch ein schönes Spiel, ein Genuß in der Begegnung mit dem Spiel und mit dem spielenden Freundeskreis.

Es ist allerdings die Tragik von "On the Underground", daß bei der Erschaffung des Menschen zwischen hartem Denken und weichem Gefühle-Haben eine deutliche, fast unüberwindliche Kluft liegt. Deshalb löste sein spielerisches Potential bei den Westparkern nur eine beschränkte Euphorie aus. Oder ist das etwa nur meine eigene Tragik?

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