Wann sind Spiele “thematisch”?
Diese Frage kann man natürlich untereinander erörtern, aber warum sollte man dazu nicht eine objektive Instanz fragen? ChatGPT zum Beispiel. Hier die Antwort:
„Natürlich ist die Definition von “thematisch” subjektiv, und jeder Spieler kann dies anders empfinden. Für mich persönlich ist ein Spiel thematisch, wenn der überwiegende Teil der Handlungen und Komponenten im Spiel in Bezug auf das Thema begründbar und korrekt im technischen oder historischen Sinn ist. Dabei geht es darum, dass der Spieleautor ein Thema auswählt, es recherchiert und dann die ausgewählten Aspekte konsequent in einem Spiel umsetzt. Die Mechanismen im Spiel sollten dem Thema folgen und es bestmöglich repräsentieren. Während des Spielens sollten meine Gedanken sich wirklich um das Thema drehen und nicht um abstrakte Abläufe oder Ressourcen. Es geht darum, in die Welt des Themas einzutauchen und sich von den Spielmechanismen mitreißen zu lassen.“
Frage am Westpark: „Ist 1830 thematisch“? Einhelliige Antwort: Ja! Wir fühlen uns als Direktoren und Aktionäre von Eisenbahn-Gesellschaften, wir verbinden Städte, wir freuen uns oder leiden mit dem technischen Fortschritt, der bessere Lokomotiven auf den Markt bringt und unsere alten verschrotten lässt, und wir lauern ständig darauf, wie wir durch Aktivitäten auf dem Aktienmarkt selber reicher werden und eine Konkurrenz ggf. in den Ruin getrieben werden kann.
In diesem Sinne fanden wir unsere letzten Spiele “Bier-Pioniere” oder „Botanicus“ nicht thematisch. Material und einige Abläufe sind zwar aus dem Thema geschöpft, doch unsere Gedanken sind weder beim Bierbrauen noch in der Gärtnerei, sondern wir hantieren mit abstrakten Ressourcen um Siegpunkte.
Wie steht es damit nun in:
1. “Kutná Hora : Stadt des Silbers”
Der anerkannte Verlag „Czech Games Edition“, von dessen zahlreichen Spielen schon vier bei uns den Titel „Spiel des Monats“ bekamen, hat sich für dieses Spiel mit dem Silberabbau von Kutná Hora beschafft.
Wir agieren im Bergbau, graben tiefer und sterniger; wir kaufen Grundstücke, reichen Baugenehmigungen ein und bauen – in Konkurrenz – Gildehäuser sowie öffentliche Gebäude. Wir mehren unsere zünftigen Einkommensquellen, erwerben uns Reputation – damit wir alles billiger erhalten können -, lassen Patrizier singen, bauen am Dom der heiligen Barbara und können alles früher oder später in Siegpunkte ummünzen.
Das Regelheft hat sich viel Mühe gegeben, die einzelnen Aktivitäten thematisch zu begründen, Günther hat sie in seiner wie immer kompetenten ausführlichen Erklärung aber alle überlesen dürfen. Es ist doch egal, vielleicht sogar von selber einsehbar, dass ein tieferes Graben im Bergwerk eine höhere Ausbeute findet und dass unser Gildenhaus mehr einbringt, wenn es neben Bürgermeisteramt und Kirche steht. In jedem Fall sind die Mechanismen und die Siegpunktausschüttungen, mit den wir es zu tun haben, abstrakt, ausschließlich abstrakt. Es ist zwar ersichtlich, dass die Preise steigen, wenn die Bevölkerung wächst und dass sie fallen, wenn die Produktion steigt, aber man staunt nur über darüber, wie diese Effekte ausgelöst werden, und wie so manche brave Aktion eines Mitspielers uns ungewollt-gewollt die Preise verhagelt. Und im Bergwerk finden wir kein Silber, für das wir im nächsten Wirtshaus eine Runde ausgeben dürfen, sondern Einheiten auf unserem Sternenkonto, die erst sich erst am Spielende via Mehrheiten in Siegpunkten auswirken.
Aaron: „Es wäre ein Wunder, wenn es nicht auch noch [abstrakte] Zielvorgaben gegeben hätte.“
Vergessen wir das Thema. Günther: „Alle komplexen Spiele sind gleich!“.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (ich habe selten so ein seelenloses Spiel gespielt; die Preis-Interaktion – für Rohstoffe und Gebäude – ist ungewollt bis zufällig), Günther: 6 (ich bin von diesem Spiel nicht ganz überzeugt), Moritz: 6 (ich hatte keine Strategie und keinen Plan – na ja, ein bisschen Reputation kann ja nicht schaden -, sondern ich habe mich immer nur nach den aktuellen Gelegenheiten gerichtet. [WS: Es hat zum Sieg gereicht.]), Walter: 6 (alles ist rund und schön, aber undurchsichtig und abstrakt; für ein erfolgreiches Spiel ist man davon abhängig, dass Mitspieler ähnliche Interessen verfolgen, aber nicht zu intensiv).
Thema Wartezeit:
Walter bemängelte, dass jeder Spieler beim Schürfen im Bergwerk aus einer Anzahl zufällig gezogener Bergwerksplättchen sich eines aussuchen darf. Das kostet Wartezeit, die alle Mitspieler ertragen müssen. Wartezeig sei grundsätzlich ein negatives Element im Spieldesign. Von Günther kam dazu erheblicher Widerspruch. Er schwelgt ja wo immer es geht in seinen Auswahl- und Optimierungsmöglichkeiten, und dass die Mitspieler darob warten müssen, hat ihn noch nie gestört. Aaron beschwichtigend: „Das Spiel hat ohnehin viele Wartezeiten.“ – Offiziell spielt man die 5 Runden á 5 Entscheidungsmöglickeiten in 2 Stunden. Am Westpark sind das natürlich eher vier…